Das Auto heutiger Art ist als Verkehrsmittel umstritten, weil es in den Städten (auf dem Land genauso) die Luft verpestet und Menschen, die biologisch unterwegs sind (Fußgänger*innen, Radfahrer*innen, Rollstuhlfahrer*innen, Kinderwagen) gesundheitlich beeinträchtigt und ihnen den Platz wegnimmt. Darüber hinaus ist unter dem Aspekt der Verhinderung der Klimakatastrophe, das mit Verbrennungskraft angetriebene Auto (wie auch alle anderen, mit Verbrennungskraft angetriebenen Verkehrsmittel) eine Fehlkonstruktion.

Ein Gastbeitrag von Werner Weber

Ein Umstieg von Verbrennungskraft auf Elektroantrieb beseitigt zwar das Problem der Klimabeeinträchtigung, unter der – noch längst nicht erfüllten – idealen Voraussetzung, dass die erforderliche elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen kommt, beseitigt aber nicht die anderen negativen Umweltwirkungen, die ein Auto auch noch hat.

Eines dieser Probleme ist der Abrieb von Mikroplastik von den Autoreifen, der über Regen und Abwässer in Flüsse und Meere gelangt. Mikroplastik findet man inzwischen in allen Arten von Meeressäugetieren, Muscheln, Fischen und Kleinstlebewesen. Auch in menschlichen Ausscheidungen wurde schon Mikroplastik gefunden. Geschätzte 340 000 Tonnen an Mikroplastik werden jährlich aus Deutschland in die Umwelt abgegeben, der größte Teil davon Reifenabrieb. Der Reifenabrieb betrug pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2017 1,2 kg (davon stammen 88% von PKW).

Dann gibt es da noch das Problem der Entsorgung: Durchschnittlich wird ein PKW 18 Jahre alt. Da ist er dem Fahrrad überlegen, das es im Durchschnitt nur auf 10 Jahre bringt. Man muss somit auch daran denken, dass die Millionen von herumfahrenden und herumstehenden Autos zukünftigen Müll darstellen. Den wird man nur zum Teil energieaufwendig recyceln können, ein Rest wird aber immer deponiert werden müssen oder nach Verbrennung als Gas in die Luft entlassen bzw. in Filtern eingefangen wiederum deponiert werden müssen. Die moderne Ausstattung eines Autos mit Batterie als Antriebsstromspeicher und Elektronik und die dafür verwendeten schwer oder gar nicht recycelbaren Stoffe, verschärft dieses Problem dramatisch.

Das Fahrrad dagegen zeigt wegen seiner geringen Masse und der geringen Vielfalt, der in ihm verbauten Materialien, nur ein minimales Müllproblem, was man allerdings krass verschärft, wenn man auf ein elektrisches Fahrrad umsteigt, das den Strom einer Batterie entnimmt – der Grund, warum ich trotz nachdrücklicher Empfehlung von Altersgenossen immer noch mein Fahrrad mit eigener Kraft antreibe.

Zuletzt möchte ich noch eine Art wirtschaftlicher Betrachtung anstellen: Nutzlast ist die Masse, die von einem Vehikel transportiert werden kann. Setzt man diese ins Verhältnis zum Gesamtgewicht des Fahrzeugs kommt man zu so etwas wie „Transporteffizienz“. Ein normales Auto wiegt heute circa 1400 kg und ist im Durchschnitt mit 1,5 Personen pro Fahrzeug besetzt. Hat eine Person noch 20 kg Gepäck dabei, beträgt die Nutzlast 180 kg, die Person zu je 75 kg gerechnet. Damit ist, was ich die Transporteffizienz nenne, 0,128.

Mein Fahrrad, das 18 kg wiegt, trägt mich mit 75 kg und kann eine Zuladung von 20 kg (in Packtaschen) ohne weiteres verkraften. Seine Transporteffizienz beträgt somit 5,27 und ist damit 29mal höher als die eines PKW.

Man mag meine Überlegungen als „Milchmädchenrechnung“ ansehen. Darüber nachzudenken, meine ich, lohnt sich aber allemal.


Interview

Wie Werner Weber (fahrradbezogen) wurde, was er ist (glaubt heute zu sein)

Werner Weber ist Fahrradenthusiast der ersten Stunde. Als Kind schenkte ihm seine Oma ein Rad mit drei Gängen – und damit auch ein Stück Freiheit. Heute beschäftigt er sich intensiv mit der Frage, warum wir mit unserer Zivilisation Umwelt und Klima zerstören. Im Fahrrad sieht er einen Lichtblick.

Heute mit 81 Jahren begleitet dich dein (unmotorisiertes) Fahrrad auf fast all deinen Wegen. Wie bist du zum Radfahren gekommen

Bis zu meinem 19. Lebensjahr wohnte ich in Krefeld am Niederrhein, eine Stadt flach wie ein Pfannekuchen, fahrradgerecht. Von meiner Oma bekam ich als ich 10 war (1950) ein Fahrrad mit 3 Gängen geschenkt. Das ermöglichte mir Mobilität, zu meiner Oma 20 km, an den Rhein 8 km und zur Schule 4 km. Geld hatte ich fast keines. Mit 16 machte ich eine erste Radtour nach Norddeutschland, mit 17 nach Süd-England, immer auf Sparflamme in Jugendherbergen mit Selbstverpflegung. Zum Beginn eines Studiums 1959 trampte ich nach Aachen, schrieb mich technikbegeistert für Maschinenbau ein. Öfters radelte ich zu Semesterende und –beginn nach/von Krefeld, 90 km, um die 3 Mark 80 für die Bahn zu sparen, aber auch aus Spaß. In den Semesterferien jobbte ich im Stahlwerk, später auf einer Werft in Travemünde, immer mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das Fahrrad gestattete mir, ohne jemals zu tanken überall hin zu fahren, beliebig weit, ich war draußen, traf Leute und nahm alles wahr, was da ist.

Hand aufs Herz, gab es auch mal eine „Autozeit“ in deinem Leben?

Als ich nach meinem Maschinenbau-Studium als Dipl.-Ing. den ersten vollbezahlten Job im Internationalen Büro der RWTH Aachen hatte, kaufte ich mir ein Auto und ließ das Fahrrad stehen. Wie närrisch machte ich auch Dienstreisen mit dem eigenen Auto nach München, Berlin, bis meine Frau meinte, ich brauche doch gar kein Auto, da ich Dienstreisen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln bezahlt bekäme. Da hab ich das Auto verkauft und mir zu meinem Normalrad ein Klappfahrrad (BROMPTON) angeschafft. Seitdem war ich in der RWTH, belächelt, einer, der die Nutzung von Dienstwagen vermied.

Inzwischen hatte ich ein Reiserad mit vielen Gängen. Verrückt wie ich war, radelte ich z.B. einmal zu einem Meeting zur Ecole des Mines in Paris oder von Ilmenau nach Aachen, wo der Rektor der RWTH und ich an einer Besprechung teilgenommen hatten, da Feiertage in der Woche erlaubten, die nötigen 4 Tage unterwegs zu sein.

Der größte Spaß waren aber die Ferien-Radtouren mit meiner Frau: Mittelmeerinseln wie Mallorca, Korsika, Sizilien, Sardinien haben wir mit dem Fahrrad durchquert, An-und Abreise per Bahn und Schiff. Die Liste unserer Fahrradreisen ist lang. Von zwei besonders tollen Touren drängt es mich noch zu berichten: Vom Petersdom in Rom zum Aachener Dom (hin mit der Bahn) 2450 km in 40 Tagen und zu den Lofoten mit Bahn und Schiff und mit Fahrrad über die Lofoten und Vesterålen, letzteres noch 2014 als wir 74/73 waren.

Die Liebe zum Fahrrad ist das eine, doch wie kommt man nun aber als studierter Maschinenbauer zum Fahrrad- und Nachhaltigkeitsaktivismus?

Meine liebe Freundin Ute Symanski hat mich dann in die Auseinandersetzung mit der Frage Auto oder Fahrrad reingezogen. Ein paar Mal hab ich Köln bei critical mass, Start am Rudolfplatz, mitgemacht. Toll, was die RADKOMM macht und erreicht und wie sie mich zum Nachdenken gebracht hat.

Ich studierte Maschinenbau, lernte und machte Prüfung in Fächern wie Verbrennungskraftmaschinen (Ottomotor, Diesel, Dampf- und Gasturbine), aber auch Elektrische Antriebe. Angelangt bin ich inzwischen bei der Frage, warum wir mit unserer Zivilisation überhaupt Klima und Umwelt kaputt machen. Ganz einfach, wie haben es mit der Anwendung von Technologie übertrieben. Ohne Technik sind wir Menschen schwache Würstchen. Aber mit Technik haben wir uns zum Erdzerstörer aufgebaut. Da ist das Fahrrad als biologische Maschine ein Lichtblick.

Falls Interesse besteht, freue ich mich über weiteren Austausch. Gerne könnt ihr hierzu auch meinen Kontakt weiter geben.

Mai 1990, Werner Weber, da noch Director of International Relations der RWTH Aachen, erreicht die Ecole des Mines, 60 boulevard Saint-Michel Paris, nach 429 km demonstrativer Fahrradfahrt von Aachen

 

 

Mai 1990, Werner Weber, da noch Director of International Relations der RWTH Aachen, erreicht die Ecole des Mines, 60 boulevard Saint-Michel Paris, nach 429 km demonstrativer Fahrradfahrt von Aachen.